(Bild: Agnes Baldauf)
Altbundeskanzler Helmut Schmidt sei mit 96 Jahren jünger gewesen, als drei 32-jährige.“
Als ich dies im Buch „Entscheide selbst, wie alt du bist“ gelesen hatte, musste ich erst einmal nachdenken. Wie kann das sein? Was ist damit gemeint? Meine Neugier war geweckt und so begann ich das Buch regelrecht zu verschlingen.
Sven Voelpel schlägt in seinem Buch „Entscheide selbst, wie alt du bist“ zum Beispiel vor, dass sich der Leser (in dem Falle also ich) sein letztes Klassentreffen in Erinnerung ruft und sich überlegt, welche der „ehemals gleichaltrigen“ Schulkameraden denn inzwischen „ganz schön alt aussehen“. Das war für mich ein spannendes Experiment, mir meine ehemaligen Schulkameraden vorzustellen.
Der Autor geht noch weiter. Er nennt unter anderem historische Entwicklungen und Bilder, die sich uns über Jahrzehnte einbrannten und die uns „die Alten“ mit krummen Rücken und am Stock gehend zeigen. Die Bilder und Erzählungen machen uns weis, dass Menschen im Alter ausschließlich gebrechlich sein können.
Und mit diesen Bildern und Erinnerungen im Kopf wachsen wir auf und sehen uns die Welt an.
Ich habe mir überlegt: Wie viele Menschen in meinem Umfeld kenne ich, die der Überzeugung sind, dass ab 50 die Zipperlein losgehen und dass das „ganz normal ist und dazu gehört“? Oder wie oft höre ich ältere Menschen mit ihrem Alter „kokettieren“ wenn sie sagen, dass sie diesen „Schnick-Schnack in ihrem Alter nicht mehr lernen müssten“? Welche Vorstellungen, also Bilder und Ideen, schwirren in deren Kopf herum, dass sie so denken und sprechen?
Sven Voelpel beleuchtet das Thema in seinem Buch aus wissenschaftlicher Sicht und legt dar, dass unsere Gene nur etwa 10-30% Anteil am Alterungsprozess haben. Den weitaus höheren Anteil daran, wie alt wir uns fühlen, haben unsere Lebensführung und unserer persönliche Einstellung. Wichtig: es geht dabei um das biologische, das „gefühlte“ Alter oder auch den körperlichen Gesundheitszustand und nicht um das kalendarische Datum. Das bleibt, wie es ist.
Sicherlich kann das gefühlte Alter oder eine längere Lebenszeit nicht auf einen Aspekt reduziert werden. Es wäre fahrlässig, das zu behaupten. Doch wenn ich neben einer gesunden Lebensführung, Sport und Ernährung durch eine neue Denkweise dazu beitragen kann, dass ich mich jünger fühle und auch andere Themen leichter und gelassener angehen kann, ist das eine interessante Option. Denn „Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung leben im Schnitt 7,5 Jahre länger“, so Sven Voelpel in seinem Buch.
Wenn das so ist:, dann bedeutet das, dass ich – sobald ich meine Lebensführung ändere, länger jung und fit bleibe? Na, das ist doch einfach: ein bisschen mehr Sport, mehr Obst und Gemüse, das scheint mir machbar.
Doch wie ist das mit meiner persönlichen Einstellung? Wie kann ich diese ändern? Geht das überhaupt? Und welche Einstellung zu bestimmten Themen habe ich überhaupt?
Für die Erläuterung möchte ich ein bisschen ausholen: Jeder Mensch denkt etwa 80.000 Gedanken pro Tag. Davon ist der größte Teil unbewusstes Denken. Das gilt auch für mich und bedeutet, dass ich gar nicht anders kann, als ständig zu denken. Heißt das nun, dass ich, um beim Beispiel zu bleiben, quasi immerzu bewusst und unbewusst an mein „Alter“ denke? OK, wenn ich Muskelkater habe oder mich der Körper irgendwo zwickt, dann denke ich sicherlich bewusst daran, da werde ich durch den Körper daran erinnert. Aber unbewusst?
Ein anderes Beispiel:
Wenn ich mir um etwas Sorgen mache, ist es möglich, dass ich sehr schnell mit vielen „negativen“ Gedanken beschäftigt bin, die mir die Stimmung „verhageln“ können. Mache ich mir zum Beispiel jeden Tag Sorgen darüber, wie es im Job weitergeht und dieser Zustand sehr lange andauert, dann kann ich bald gar nicht anders, als mir ständig darüber Gedanken und Sorgen zu machen. Ich rede vermutlich sogar ständig darüber, um den Ballast loszuwerden. In der Familie ist es ein Dauerthema und weitere schreckliche Gedanken zu den möglichen Folgen werden diskutiert, können gedeihen und belasten alle Beteiligten. Und ich selbst als die Hauptperson drehe mich nur noch im Kreis. All dies beeinflusst schlussendlich mein Verhältnis zur Arbeit, den Kollegen, der Firma und verändert meine Einstellung dazu. Und das sind „nur“ die bewussten Gedanken. Welchen Einfluss haben dann erst die unbewussten Gedanken, die ja deutlich in der Überzahl sind? Und vor allem wie komme ich an diese Gedanken heran?
Aus meinen etwa 80.000 Gedanken entstehen also Bilder und Worte, daraus bilden sich Stimmungen und je nachdem, wie lange ich mich in einer bestimmten Stimmung befinde, wird dies zu meiner Einstellung und damit zu meiner persönlichen Wahrheit. Ein erster Ansatz, meinen unbewussten Gedanken auf die Schliche zu kommen, ist, meine Worte und meine Sprache zu beobachten. Nutze ich oft Worte wie „Problem“, „man müsste“ oder nutze ich Floskeln wie „das ist halt so“?
Alles was ich denke, äußert sich in meiner Sprache, in meiner Körperhaltung und in meiner Einstellung. Denn wer geknickt ist, läuft eher mit hängenden Schultern herum. Wer sich mies fühlt, lächelt weniger. Wer glücklich ist, steckt andere damit an und so weiter.
Es sind also alle meine Gedanken aktiv und zeigen sich auf die ein oder andere Art und Weise. Das bedeutet für mich auch: So wie ich über mich und mein Alter denke, so fühle ich mich auch irgendwann – entweder älter oder junggeblieben. Ich trage damit eine große Verantwortung. Denn wie auch immer ich denke – jeder Gedanke lebt und wirkt in mir selbst und in meinem Umfeld.
Das heißt, ich selbst habe es in der Hand, wie meine Gedanken auf mich abfärben – also meine persönliche Einstellung sich auch nach außen zeigt. Beobachte ich meine täglichen Situationen und Gespräche, kann ich erkennen, ob ich Themen wie zum Beispiel „das Alter“ einfach als unveränderbar hinnehme oder bewusst und aktiv meine Lebensführung und Einstellung verändere.
Folgende Fragen kannst Du dir stellen: In welcher Art und Weise denke ich über bestimmte Themen wie Alter, Beruf, Stress und vieles mehr? Wieeso habe ich diese oder jene Gedanken? Vielleicht erinnern sie dich an deine Eltern und du bist damit aufgewachsen? Und wie kann ich mein Denken so verändern, dass ich dauerhaft bewusster und positiver denken? Denn schließlich möchte ich so lange wie möglich stressfrei sein bzw. mich jung fühlen.
Ich habe für mich herausgefunden, dass mir positives Denken gut tut. Positives Denken bedeutet nicht, all das, was mir nicht gefällt auszublenden. Es bedeutet auch nicht, dass es keine Rückschläge oder Tiefs mehr gibt oder dass alles schön geredet wird. Positives Denken heißt nicht, dass der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet wird. Probleme lösen sich durch eine positive Denkweise nicht in Luft auf – auch bleibe ich faktisch nicht für immer 25 Jahre alt – doch positives Denken hilft mir aus dem Hamsterrad heraus zu treten und weitere Optionen zu sehen.
Positives Denken hilft mir, in allen Lebenslagen das Gute zu sehen. Für mich bedeutet es zudem, mit Zuversicht und Mut, jeden Tag aufs Neue die Herausforderungen und Themen in meinem Leben anzugehen. Und ich spüre dabei, dass meine Lebensfreude steigt. Das ist ein tolles Gefühl.
Positives Denken bedeutet demnach den Fokus zu verändern. Die Aufmerksamkeit auf das zu richten was schön, angenehm ist und mehr Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir gut tun. Nur wenn ich mir das bewusst mache, dann kann ich auch etwas daran ändern.
Und wie mit allem braucht es etwas Training und Übung. Wer bisher untrainiert ist, braucht länger als ein trainierter Mensch, um zum Beispiel einen Halbmarathon in einer einigermaßen vernünftigen Zeit laufen zu können. Oder anders ausgedrückt: wer auf dem Sofa die Tour de France schaut, wird kein Radprofi.
So kannst Du anfangen. Mit einer einfachen Übung lernst Du die positiven Dinge in Deinem Leben hervorzuheben und zu verankern. Diese Übung kannst du abends vor dem Einschlafen machen. Zähle mindestens fünf Dinge, Menschen oder Situationen auf, für die du an diesem Tag dankbar warst. Das kann jeden Tag etwas anderes sein – es darf sich am Anfang auch jeden Tag wiederholen.
Beispiele können sein: die S-Bahn war pünktlich, der Chef war heute außer Haus, die Kinder sind gesund und munter, ich bin morgens sicher ins Büro gekommen, ich war beim Sport und so weiter und so fort. Eben ganz individuelle Punkte oder sogenannte „Selbstverständlichkeiten“, die an diesem Tag passierten. Dabei ist es wichtig, dass du es JEDEN Abend für mindestens 21 Abende hintereinander wiederholst . Wieso gerade 21 Tage? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und Veränderung braucht etwas Zeit. Du darfst diese neue Gewohnheit gerne dauerhaft in dein Leben integrieren und beobachte dann, was sich bei Dir verändert. Bei den meisten meiner Klienten ändert sich der Fokus auf die Dinge, die funktionieren, die sie glücklich machen und die schön sind. Und dies wiederum wirkt sich auf die Gedanken, die Sprache, die Stimmung und die Einstellung aus.
Ich wünsche Dir gutes Gelingen und viel Freude beim „dich jung fühlen“.
9. September 2019