Ich bin retten

(Bild: Agnes Baldauf)

Das höre ich von Freunden, die im Food Sharing, der Lebensmittelrettung, aktiv sind. Ich beleuchte diese durchaus wertvolle Idee aus einer anderen Perspektive.

In meiner Ursprungsfamilie wurden so Sätze gesagt wie:
„Was auf dem Teller ist, wird aufgegessen. Nimm dir nur das auf den Teller, was du essen kannst. Lieber weniger und nimm ein weiteres Mal. Es ist genug für alle da. Essen wirft man nicht weg.“
Das sind durchaus Glaubenssätze und Konzepte, die belehrend sind. Die allerdings auch den Gedanken der Fülle tragen, dass es genug für alle gibt und Lebensmittel wertvoll sind.

Wir wuchsen als Kinder auch mit dem Gedanken auf, bewusst im Umgang mit Essen zu sein. Wenn etwas übrig war, gab es davon am nächsten Tag die Reste. Wenn wir ein Gericht zum Beispiel nicht kannten, probierten wir zunächst, ob es uns schmeckt und nahmen dann mehr davon oder eben nicht. Wir häuften nicht unsere Teller voll und liessen diese stehen oder mit dem Essen darauf zurük gehen. So ein Verhalten habe ich allerdings oft bei Buffets oder den All you can eat Aktionen erlebt.

Nun, wir leben in einem Land voller Widersprüche. Hier in Deutschland leben wir im Überfluss. In Afrika sterben nach wie vor Menschen auf Grund Unterernährung. Hier in Deutschland ist so viel an Angbot da, dass es in Supermärkten die Regale mit „Rette mich“ oder eben auch die Food-Sharing Aktionen bzw. Organisationen gibt.
Da helfen Menschen ehrenamtlich, dass nicht gebrauchte Lebensmittel oder solche, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) abgelaufen ist bzw. droht in Kürze abzulaufen vom Supermarkt abgeholt und verteilt werden. Dies hilft Menschen, die wenig Geld haben – das können Studenten ebenso sein wie Obdachlose – an Essen zu kommen.

Doch was sind das für Zeichen einer reichen Nation?
– Studenten brauchen trotz der Möglichkeiten von Bafög Zugriff auf „alte“ Lebensmittel?
– Menschen mit geringem Gehalt oder auch Senioren sind auf Tafeln und die Retter angewiesen?
Und wie viel wird dennoch weg geworfen? Gibt es dazu Erhebungen und Zahlen?
Oder weshalb ist das „Containern“ verboten? Das „Wühlen“ nach Pfandflaschen jedoch erlaubt oder geduldet?
Ist das Food-Sharing nicht eine „Mogelpackung“? Eine Alibi Tätigkeit, die die wahren Ursachen verschleiert und lediglich Symptome bekämpft? Eine Art Legitimation, dass das bisherige Verhalten nicht überdacht und verändert werden muss?

Wieso werden Lebensmittel nicht bezahlbar und für alle zugänglich gemacht? Wieso kann „Vater Staat“ die Überproduktion nicht in den Griff bekommen?
Oder anders gefragt: wenn wir als Bürger und Menschen einer Gemeinschaft, so tolle Ideen wie Food-Sharing haben und Probleme lösen, die wir ohne Politik nicht hätten, wieso nehmen wir uns des Themas nicht noch weiter an und gehen mit den Bauern (Produzenten) und den Händler direkt in Gespräche für Lösungen, die allen gerecht werden?
– die Bauern bekommen den Betrag, den sie brauchen, um weiterhin aktiv zu sein und werden unabängig von Subventionen (was ja auch wieder unser Steuer-Geld ist)
– die Händler können individueller anbieten und das verkaufen, was benötigt wird und den Überschuss reduzieren
– die Preise bleiben stabil und bezahlbar ohne Overhead für einen immensen Politik- und Verwaltungsapparat, der alles mögliche über-reguliert und kontrolliert

Wenn ich darüber nachdenke, welche Probleme Landwirte, Bäcker und Einzelhändler haben, Mitarbeiter zu finden, die mit Freude, engagiert und zuverlässig mitarbeiten, dann sehe ich hier viele Synergien für Kooperationen.
Menschen helfen nach ihren Fähigkeiten und (zeitlichen) Kapazitäten zum Beispiel beim Bauern mit. So kann er sein Getreide etc. anbieten und die Helfer bekommen einen Teil der Ernte zu ihrem Lohn dazu. Die Einzelhändler bekommen ebenfalls ihren Teil des Angebots und können auf regionale Produkte günstiger zugreifen. So würden zum Beispiel die Studenten nicht mehr Lebensmittel nur retten, sondern bei der Herstellung und Verteilung unterstützen. Zusätzlich – das wissen wir – sitzen viele Menschen zu viel vor dem Rechner und bewegen sich zuwenig. So kann durch die Tätigkeit das Studieren abwechslungsreicher werden.
Das Konzept der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) besteht ja ebenfalls bereits in vielen Regionen. Auch hier sehe ich Verknüpfungspunkte zu den Menschen und der Idee der Kooperation.

Auch wenn das erst einmal grobe Gedankenblitze sind, laden sie ein, sie zu verfeinern. Im Kleinen beginnen, erleben und ausbauen. Und das Neue und Ungewohnte be-greifbarer machen.
Wie Einstein sinngemäß sagte: du musst Dinge anders tun, dein Verhalten ändern, damit du andere Ergebnisse erhalten kannst.

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